Dienstag, 7. August 2018

[Rezension] Es wird keine Helden geben - Anna Seidl



Alles beginnt wie ein normaler 
Schultag. Doch kurz nach dem Pausengong hört Miriam einen Schuss. 
Zunächst versteht niemand, was 
passiert ist, aber dann herrschen 
Chaos und nackte Angst. Matias, 
ein Schüler aus ihrer Parallelklasse, schießt um sich. Miriams 
Freund Tobi wird tödlich getroffen. Sie überlebt – fragt sich aber, 
ob das Leben ohne Tobi und mit 
den schlimmen Albträumen noch 
einen Sinn hat. Waren Miriam 
und ihre Mitschüler Schuld an der 
Katastrophe?

Verlag: Oetinger | Preis: 8,99 €| Seiten: 256| Erschienen: 1.6.16






Kennt ihr dieses Gefühl wenn es ganz eng im Hals wird, der Bauch sich anspannt und die Luft nur ganz langsam aus der Nase kommt?

So ging es mir auf den ersten Seiten. Und ich habe von Anfang an leidenschaftlich gehasst. Nicht den Täter. Versteht mich nicht falsch aber in diesem Fall war der Täter ebenfalls ein Opfer auch wenn das die Tat nicht beschönigt oder rechtfertigt oder weniger schlimm macht. 
Ich habe es gehasst, dass es real ist. Ich habe es unendlich gehasst, dass so etwas passiert, nicht nur in Amerika so wie es auch Miriam gedacht hat. Nein es passiert in Deutschland. Es kann in jeder Stadt passieren egal wie groß oder wie klein.

Wisst ihr ich habe mir viele Gedanken gemacht, ob ich dieses Buch wirklich lesen möchte.
Vor einiger Zeit hat es hier bei uns einen Morgen gegeben an dem angeblich ein Amoklauf angekündigt worden ist. Das ganze war nicht wahr und es ist auch nicht passiert. Ich habe es auch nur am Rande mitbekommen aber es hat mich in Angst und Schrecken versetzt. Die Fragen die man sich stellt auch wenn man gar nicht davon betroffen ist sind immer die gleichen. Es sind viele. Aber sie alles führen zu dem Punkt: WARUM?
Warum hat die Person eine Waffe mit zur Schule gebracht?
Warum hat die Person mehrere Schüler erschossen?
Warum hat niemand etwas unternommen?
Warum konnte es so weit kommen?
Warum...
Warum...?
Die Antwort ist folgende: Ich weiß es nicht.
Oft weiß es niemand. Es wird nicht immer ein Abschiedsbrief hinterlassen um den Hinterbliebenden zu erklären warum man getan hat was man getan hat. Natürlich nicht. Würden es Erklärungen für irgendjemanden besser machen?
Deshalb fand ich dieses Buch grandios. Es zeigt den schmerzhaften Weg, den Weg der wirklich weh tut, der einen nicht atmen lässt und der keine Fragen beantwortet. Der Weg der auch Miriam dazu gebracht hat sich selbst zu fragen, was passiert ist, dass es soweit kommen konnte? Traf sie eine Mitschuld? Warum hat sie den Amokläufer gemobbt?
Hätte sie ihren Freund retten können?
Das sind nur ein paar der Fragen, die sie sich im Laufe des Buches versucht zu beantworten. Ich fand es authentisch, denn Miriam hat keine heile Welt bekommen, man konnte nicht spüren wie alles in ein Happy End mündet wie bei vielen Romanen. Im Gegenteil. Es war hoffnungslos, schonungslos, traurig. Es war echt.

Was mich besonders fertig gemacht hat ist, dass alles irgendwie wieder auf das Thema mobbing hinaus läuft - ich hasse es, weil ich es nicht verstehe. Natürlich ärgern sich Kinder, sie streiten und beleidigen sich und sagen sich gemeine Dinge. Das gehört dazu, zum groß werden zum sich entwickeln. Aber wie kann es möglich sein, dass viele Kinder/Jugendliche keine Grenzen kennen und gesteckt bekommen in ihrem Handeln? Wieso kann es sein, dass jemand jemand anderen jeden Tag bis aufs schlimmste mobbt über Jahre.?



Ich will nicht sagen, dass ich verstehe, wenn das Fass überläuft man sich eine Waffe besorgt und jeden beseitigt, der einem jemals weh getan hat, denn nein das verstehe ich nicht. Aber was ich verstehe ist, dass es keiner verdient Jahrelang seelisch misshandelt zu werden, ausgegrenzt zu werden und die gesamte Schulzeit allein verbringen zu müssen. Das ist nicht fair. Man muss nicht jeden mögen, aber man sollte vor jedem menschlichen Wesen das sich auch wie ein Mensch verhält Respekt haben und dieses Buch zeigt auf, was sein kann wenn dies nicht der Fall ist.
Dieser Junge hat Jahre lang seelische Folter erfahren, denn nichts anderes ist Mobbing und als er nicht mehr konnte fasste er diesen Entschluss. Einen Entschluss den ich nicht verstehe, den ich niemals gut heißen kann. Jemand, der vielleicht etwas stärker gewesen wäre hätte vielleicht mit jemandem geredet, das versucht zu klären oder woanders neu angefangen aber das darf nicht die Voraussetzung sein. Grundlegend ist, dass niemand so behandelt werden darf. Niemand verdient das. Nicht wenn er dick, dünn, groß oder klein ist. Auch nicht wenn seine oder ihre Haare fettig sind oder er/sie nicht gut riecht. Niemand hat das Recht mit einem anderen so umzugehen! Das sind meine Gedanken, die mich während des Lesens gequält haben. Wirklich gequält.
Und auch der Gedanke, der zwischen jeder Zeile trieft: ''Ihr hattet Schuld'' - der Gedanke ist nicht fair, denn niemand konnte sich das Ausmaß dessen was durch dieses Mobbing passieren wird vorstellen aber jeder hat sich die Frage gestellt und in meinem Kopf haben sie alle eine Mitschuld, das ist es was ich denke. Ich sage zwar nicht, dass sie es verdient haben ihre Freunde sterben zu sehen oder solcher Angst ausgesetzt zu sein, denn das hat niemand. Doch sie alle haben sich für das Mobbing entschieden und somit trifft ein kleines Stück der Schuld sie, egal wie man es dreht und wendet.  Es lässt sich nicht schön reden, aber ich denke auch, dass wenn all das einigermaßen verarbeitet ist, dass diese jungen Menschen dann im weiteren Verlauf ihres Lebens anders, besser mit Menschen umgehen. Auch wenn dafür etwas furchtbares passieren muss, das man nicht rechtfertigen darf.

Am Ende habe ich keine Lösung für mein inneres Chaos bekommen. Ich habe nur Realität, nichts als bittere Realität bekommen. Aber ich habe die Geschichte einer Autorin gelesen, die es geschafft hat ein Mädchen auf den richtigen Weg zu bringen, eine Person zu erschaffen, die sich selbst dazu bringt sich die richtigen Fragen zu stellen, zu bereuen und zu verstehen, dass manche Dinge nicht mehr zurück zu nehmen sind, dass man die Konsequenzen für sein Handeln tragen muss und wenn es zu spät ist, ist es zu spät. Miriam hat in meinen Augen eine zweite Chance bekommen und hat einen Weg gefunden sich selbst ein Stückchen besser zu machen.

Dieses Buch ist kein Buch, was man mal nett nebenbei lesen kann. Es regt zum nachdenken an, es löst Chaos und enorme Wut aus und es lässt einen verstehen. Jedes Handeln hat Konsequenzen, alles berührt alles. Un genau DU bist dafür verantwortlich was DU tust, du kannst entscheiden was du für ein Mensch sein willst und DU bist in der Lage auf andere Respektvoll zu zugehen, sie als Menschen zu achten.

Danke Anna Seidl, dass du es geschafft hast mich verstehen zu lassen.
Danke das du meine Sicht auf die Dinge mit diesem Buch noch weiter verändert hast. Ich lasse dieses Buch mit dem Gefühl etwas gewonnen zu haben zurück.

Es sollte übrigens wie ich finde Pflichtprogramm in Schulen sein.

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