Montag, 16. Juli 2018

[Talk about] mit Anastasia Donavan - Magersucht, Missbrauch, Rassismus



Das hier ist kein Interview, in dem normale Fragen gestellt werden, wie zB. warum die Autorin gerne schreibt o.ä. es ist viel mehr ein ''großes Reden'', denn wir, Anastasia und ich waren uns einig, über wichtige Themen darf man nicht schweigen.
Und in ihren Büchern werden solche Themen laut.
Missbrauch. Gewalt. Magersucht. Rassismus.

Ich kann nur hoffen, dass alle, die diese Wörter nun lesen allein davon berührt sind sie gelesen zu haben und offen dafür sind mehr darüber zu lesen.

Es sind keine schönen Themen, es sind keine einfachen und ich bin kein Therapeut oder etwas Derartiges ebenso wie Anastasia, aber wichtig ist reden. Bücher geben uns so viel aber sie sagen auch vieles im Stillen und diese Dinge sind es die oftmals Gehör finden wollen und müssen.

Ich habe Anastasia schwierige und unangenehme Fragen gestellt, die sicher Antworten nach sich ziehen, die nicht Friede, Freude, Eierkuchen sind... nehmt euch Zeit sie zu lesen und wenn ihr danach offener seid, die Augen nicht verschließt und auch bereit seid schwierige Themen nicht totzuschweigen, dann hat dieser Beitrag etwas bewirkt.




  • Wieso hast du dich entschieden Dinge wie Magersucht, Gewalt, Missbrauch und Rassismus zu thematisieren? 
Ich habe die Entscheidung nicht bewusst getroffen. Als ich die Geschichte von Anna & Karim in mir fühlte, habe ich losgeschrieben ohne zu wissen wohin die Reise geht. Bei der Entstehung meiner Rohfassungen folge ich meinem Herz und schalte den Verstand aus. Die Themen wurden zu einem Teil von „Ain’t nobody“, weil sie mir sehr viel bedeuten und mich emotional berühren.
  • Was brachte dich an den Punkt an dem du wusstest, dass diese Dinge nicht unter den Tisch fallen dürfen sondern angesprochen werden müssen?
Es existieren viele Vorurteile, oder Fehleinschätzungen. „Die hungert nur, weil sie aussehen möchte wie ein Topmodel“ dient als simple Erklärung im Zusammenhang mit Essstörungen und verharmlost eine psychische Erkrankung. Ich will schreien, bei dem Gedanken an das deutsche Rechtssystem, das nicht die Täter bestraft, sondern die Menschen die missbraucht wurden. Nachrichten die davon berichten, dass ein Kind aufgrund häuslicher Gewalt starb, weil alle wegschauten / die Behörden den Fall falsch einschätzten, treiben mir Tränen in die Augen. Ich weigere mich zu akzeptieren, dass eine nationalsozialistische Terrororganisation zehn Jahre mordend durch Deutschland streifen darf und keine Aufklärung erfolgt, weil ihre Taten durch Behörden gedeckt werden. Ein Urteil gegen die Spitze des Eisberges reicht mir nicht!
Was könntest du den Anna's dieser Welt mit auf den Weg geben? Ihr seid keine Opfer und tragt keine Schuld an dem was ihr durchmachen musstet, oder immer noch müsst. Bitte lasst euch nichts anderes einreden! Es lag weder an eurer Kleidung, noch an eurem Verhalten. Bleibt stark und kämpft. Doch bitte nicht alleine, sondern mit der Hilfe von Menschen denen ihr noch vertrauen könnt.
  • Was könntest du den Anna's dieser Welt mit auf den Weg geben?
Ihr seid keine Opfer und tragt keine Schuld an dem was ihr durchmachen musstet, oder immer noch müsst. Bitte lasst euch nichts anderes einreden! Es lag weder an eurer Kleidung, noch an eurem Verhalten. Bleibt stark und kämpft. Doch bitte nicht alleine, sondern mit der Hilfe von Menschen denen ihr noch vertrauen könnt.
  • Warum hat Rassismus deiner Meinung nach leider immer noch so eine enorme Präsens?
1. Rechtsradikal motivierte Straftaten werden bewusst gedeckt (NSU), heruntergespielt, oder verheimlicht. Bei Straftaten von Menschen mit nicht deutschen Wurzeln, oder linksfanatischen Tätern hingegen legt man Wert darauf ihre Nationalität / Gesinnung preiszugeben. Ergebnis: Rassimus konnte sich ungehindert ausbreiten, weil zu wenig Menschen die Gefahr erkannten, oder dachtet ihr bei dem Bombenattentat in Köln an eine rechtsradikale Terrororganisation? 2. Politische Fehler im Umgang mit den Gastarbeitern der 60er Jahre, die u. a. dazu führen, dass Menschen von ihren Eltern zu Rassisten erzogen werden. Zum Beispiel „Jens“ aus „Ain’t nobody“. Inzwischen lebt die 3. und 4. Generation in Deutschland. Das Land ihrer Wurzeln kennen sie nur aus dem jährlichen Urlaub bei Verwandten und trotzdem akzeptieren wir sie nicht als vollwertigen Teil unserer Gesellschaft. Sie passen nicht in die vorhandenen Schubladen in die wir gerne alles stecken. In Deutschland geboren und aufgewachsen, leben sie trotzdem auch eine andere Kultur / folgen einer anderen Religion. Also erhalten sie den Stempel "Migrationshintergrund". 3. „Flüchtlinge haben ungewollt Rassismus zu neuem Erfolg verholfen“ Das klingt hart und zynisch, aber so empfinde ich es. Statt aus den politischen und gesellschaftlichen Fehlern der Vergangenheit (Stichwort: Gastarbeiter) zu lernen, wiederholen wir sie. Das nutzen „Parteien“ wie die AFD, oder NPD gnadenlos aus. Sie schüren die Ängste / Unsicherheit und „Politikwut“ in Teilen der Gesellschaft, um erfolgreich ihren Hass zu verbreiten. Selbst jetzt schafft es die Regierung nicht zu handeln, sondern macht mit ihrem Verhalten (Stichwort: Horst Seehofer ./. Angela Merkel) immer mehr Wähler empfänglich für Rassismus. 4. Rassismus ist Gesellschaftsfähig geworden. „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber...“ – „Jetzt kommt wieder die Nazikeule, aber in Deutschland herrscht Meinungsfreiheit und ich finde...“ Viel zu oft, wenn solche Sätze fallen erfolgt kein Aufschrei, sondern stillschweigende Akzeptanz und im schlimmsten Fall Zustimmung. Rassistische Politiker können in immer mehr europäischen Ländern ungehindert ihre Reden schwingen. Sie ernten höchstens den erhobenen Zeigefinger. Ich könnte kotzen, wenn ich daran denke, dass die AFD im Bundestag sitzt. Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen! 5. Eine weitere Ursache für Rassismus sehe ich darin, dass meiner Generation eine gesunde Beziehung zu Deutschland fehlt. Nationalstolz wurde zu lange nur von den Nationalsozialisten nicht verurteilt. Erst durch meine Freundschaft zu Nichtdeutschen und ihrem Nationalstolz, hinterfragte ich die Beziehung zu meiner Heimat. Inzwischen empfinde ich einen gesunden Nationalstolz, denn ich trage keine Schuld an den Verbrechen im zweiten Weltkrieg. Ich liebe mein Land und aus dem Grunf fühle ich mich verantwortlich dafür, alles zu unternehmen, damit die Würde des Menschen nie mehr so verletzt werden kann wie damals.

  • Magersucht ist eine ernst zu nehmende Krankheit, doch nicht immer bemerkt man sie, wie würdest du versuchen Warnzeichen zu erkennen?
Ich glaube das sichtbarste Indiz ist starker Gewichtsverlust in kurzer Zeit. So etwas fällt nicht nur den Freunden / der Familie auf, sondern auch Lehrern und anderen Leuten aus dem weiteren Umfeld.
Etwas leichter zu verstecken lässt sich der Umgang mit Mahlzeiten. Menschen die unter Magersucht leiden kontrollieren penibel was sie zu sich nehmen und vermeiden es in Gesellschaft zu essen. Anna friert oft und leidet an Kreislaufbeschwerden, als Folge der Magersucht. Ausreden wie „Ich habe schon in der Schule gegessen“, oder "Ich trage mal wieder die falsche Kleidung" klingen plausibel, aber sobald sie öfter fallen, sollte man hellhörig werden.
Etwas das man nicht so leicht bemerkt, obwohl es auffällt: Menschen mit Magersucht bekommen oft starken Haarwuchs an den Armen, während ihnen die Kopfhaare ausfallen. Ebenfalls leiden sie unter brüchigen Fingernägeln und blasser Haut.
  • Missbrauch ist ein schwieriges, trauriges Thema und leider allzu real, wie hast du dich darauf vorbereitet es so echt und ungeschönt in deinen Büchern darzustellen?

Seit meiner Kindheit besitze ich das „Talent“ mich in Dinge hineinzusteigern, weshalb meine Eltern mir den Spitznamen „Dramaqueen“ verpassten. Unter anderem, half mir mein Talent, mich beim Schreinen so sehr in Annas Empfindungen hinein zu steigern, dass ich ihren seelischen Schmerz fühlte und den körperlichen spürte. In Bezug auf die rechtliche Seite habe ich online bzw. telefonisch recherchiert. Eine große Rolle spielte auch ein anderer Aspekt auf den ich nicht näher eingehen möchte. löschtDenLetztenSatz
Dramaqueen: Denk dran: Offen, direkt und ehrlich!
fügtDenLetztenSatzWiederHinzu
  • Du lebst selbst in einer Ehe die man als ''multikulturell'' bezeichnet auch wenn ich lieber sagen würde, in einer Ehe mit einem Menschen den du liebst, denn Liebe braucht keine Bezeichnungen - hattest du/ihr dadurch jemals mit Vorurteilen/Verurteilungen zu tun? Und wenn ja, wie kann man sich oder besser gesagt sein ''Innenleben'' vor so etwas schützen/wie damit umgehen?

Deine Einstellung gefällt mir sehr gut 😊 Die Bezeichnung „Multikulturell“ / „Multikulti“ ebenfalls, denn sie beschreibt unseren (Ehe)Alltag. Wir leben beide Kulturen aus, feiern die Feste von zwei Religionen und fühlen uns in zwei Ländern Zuhause. „Multikulti ist tot“, behaupten vor allem Rechtsradikale ständig. Für mich ein zusätzlicher Grund mein Leben ganz bewusst als Multikulti zu bezeichnen. Schlimm hingegen finde ich, wenn Menschen meine Ehe als „Mischlingsehe“, oder „Blutschande“ beschreiben.
Du fragst nach Vorurteilen / Verurteilungen. Ich nutze jede Chance um Vorurteile aus dem Weg zu räumen, wenn ich die Möglichkeit dazu erhalte.
Verurteilungen nenne ich Alltagsrassismus und damit komme ich öfter in Berührung als es sich viele Menschen vorstellen können, oder wollen. Selbst Vertraute glauben oft, ich kreiiere mal wieder ein Drama, bis sie Zeuge davon werden. Ein paar Beispiele:
Meine Tochter hustete bis zum Erbrechen. Diagnose: hyperreagibles Bronchialsystem. Die Antwort des Kinderarztes auf meine Frage nach der Ursache: „Das kommt davon, wenn man Blut mischt.“
Stichwort „Wohnungssuche“. Mein Mann bekommt zu hören, dass die Wohnung bereits vermietet wurde. Kurz darauf rufe ich an und nenne meinen Mädchennamen. In 8 von 10 Anrufen hat man mir einen Besichtigungstermin angeboten.
„Mama was bin ich?“ – „Ein wundervolles Mädchen?“ - „Nein ich meine woher komme ich? XY hat gesagt ich bin nicht Deutsch, aber auch nicht Türkisch und deswegen so ein Mischling wie sein Hund.“
Vor allem in meiner Jugend kam es auch zu körperlichen Auseinandersetzungen.
Viele der Erfahrungen habe ich auf künstlerische Weise in „Ain’t nobody“ verarbeitet und es fühlte sich verdammt gut an. Wie Genugtuung, denn früher hat mich der Alltagsrassismus verletzt. Inzwischen habe ich gelernt damit umzugehen. Ich gebe ihren Aussagen nicht die Macht mich zu treffen, sondern schlage verbal zurück. Oft zu emotional / ebenso hasserfüllt, wie derjenige der mir die Worte an den Kopf wirft, aber so schütze ich mich. Leider klappt meine Methode nur bei „Angriffen“ gegen mich. Sobald meine Kinder Rassismus zu spüren bekommen, sieht es anders aus....
  • Ein junges Mädchen, nennen wir sie ''Anna'' meldet sich bei dir, sie hat dein Buch gelesen, und sie braucht ebenfalls Hilfe... gibt es so etwas wie die ''Angels'' aus Ain't Nobody? Wohin kann man sich wenden, wem vertrauen?
Leider existieren die „Angels“ nicht wirklich, sondern entstammen meiner Wunschvorstellung von einem Ort für Mädchen wie Anna. Bei meiner Recherche wurde ich allerdings auf die Organisation ANAD aufmerksam und ihr Konzept unterscheidet sich von dem der klassischen Kliniken / Therapien für Essgestörte. Ich kann Anna nicht sagen wem sie vertrauen soll, weil für mich selbst Vertrauen einer Mutprobe gleicht. Ebenfalls arbeite ich weder als Psychologin, noch als Ärztin, aber Anna braucht professionelle Hilfe. Genau das würde ich ihr klar machen und bei der Suche nach einer geeigneten Anlaufstelle helfen.
  • Wie können wir, jeder für sich etwas dafür tun über solche Themen einfacher zu sprechen? Was denkst du was dafür für eine Basis nötig wäre?
„Aus Angst das Falsche zu tun, tat ich nichts und das war das Falsche.“ Die Erkenntnis öffnet Karim im ersten Band von „Ain’t nobody“ die Augen und er beschließt zu handeln. Ich stelle mir als Basis vor, dass wir den Mut finden um offen, ehrlich und direkt über Themen wie Missbrauch, Gewalt, Magersucht, oder Rassismus zu sprechen. Ohne uns vor der Reaktion unserer Gesprächspartner zu fürchten. Ohne Angst davor, das Falsche zu sagen, oder zu tun, denn es gibt nichts schlimmeres als Schweigen. Das gleicht für mich stiller Akzeptanz / Gleichgültigkeit. „Wir haben nur die Chance etwas zu ändern, wenn wir darüber sprechen!“
  • Wir sind uns einig, dass reden hilft. Aber in einer Betroffenen Person stecken wir nicht drin, was ist, wenn es keinen Zugang mehr gibt?
Ich glaube in dem Fall, kann man als Freundin nur darauf hoffen, dass die betroffene Person die nötige Stärke besitzt um sich selbst wieder zu fangen und zu öffnen. Als Mutter würde ich mich so verhalten wie Theo. Zumindest was seinen Umgang mit Annas Magersucht betrifft.
  • Was macht Anna so besonders und was Karim? Warum können die beiden in einer so unfassbar harten Zeit dennoch einen Weg finden?
Annas Spruch „no more drama, no more pain“ sagt viel über ihre Persönlichkeit aus. Sie weigert sich standhaft die Opferrolle anzunehmen. Stattdessen kämpft Anna und gibt sich nicht nur selbstbewusst, sondern besitzt unabhängig von ihrer Verbündeten eine innere Stärke und Mut den ich bewundere. Trotz allem was sie erlebt, schafft sie es das Gefühl der Liebe zuzulassen und Vertrauen in Karim zu fassen. Karim ist für mich die Definition eines Bad Boys. Er lebt nach seinen eigenen Gesetzen und Regeln, ohne Rücksicht auf die gesellschaftliche Norm. Seine Vergangenheit konnte ihn nicht brechen, sondern hat ihn gestärkt und ihm wichtige Lektionen für sein jetziges Leben erteilt. Statt davon zu rennen, als ihn zum ersten Mal das Gefühl der Liebe überrollt, stellt er sich seinen Empfindungen für Anna. Karim besitzt nicht nur körperliche Stärke, sondern vor allem psychische und das macht ihn für mich zu meinem Held.

  • Warum können die beiden in einer so unfassbar harten Zeit dennoch einen Weg finden?
Sie empfinden füreinander bedingungslose Liebe. Für mich eines der stärksten Gefühle das es gibt, denn ihre Liebe kennt keine Grenzen.



  • Die Außenstehenden (bspw. Freunde, Familie, Polizei usw.) welches Verhalten würde einem Außenstehendem helfen mit einer betroffenen Person umzugehen? Zb. die Black's - sie haben eine ganz besondere Art gefunden mit Anna umzugehen...
Das kann ich nicht pauschalisieren, da ich sonst alle betroffenen Personen in eine Schublade stecke, was ich nicht möchte. Bleiben wir bei deinem Beispiel. Welches Verhalten euch im Umgang mit Anna hilft, könnt ihr heraus finden, in dem ihr auf ihre Signale achtet. Sie gibt sich selbstbewusst. Trägt kurze Röcke und haut euch ständig einen frechen Spruch um die Ohren. Verhält sich so ein missbrauchtes Opfer? Wohl kaum! Eure Freundin kämpft darum normal zu wirken, weil sie kein Mitleid erwecken möchte. Es hilft euch im Umgang mit Anna, wenn ihr euch so verhaltet wie sie es fordert: Auf Augenhöhe.




Als letztes möchte ich mich bedanken.
Anastasia ich habe größten Respekt vor dir, deiner Einstellung, deiner Geschichte um Anna & Karim und davor, dass du selbst ohne in meiner Nähe zu sein bis hier hin leuchtest.

An die Annas dieser Welt, Freunde und Familie der Annas... an euch alle, das ist für euch. Ihr seid keine Opfer, ihr tragt keine Schuld und vor allem ihr seid stark genug um darüber zu reden und gesund zu werden, oder wieder neuen Mut zu fassen. Ihr werdet es schaffen. Und ihr werdet es schaffen eure Anna's zu beschützen.


Vielleicht öffnet es euch die Augen !
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