Sonntag, 12. Mai 2019

Was geschah mit Femke Star und anschließend mit mir?






Jedes Mädchen hat ein schmutziges Geheimnis. Jedes. Auch du.
Doch was würdest du tun, wenn dein Geheimnis eigentlich meins wäre, und nur ich, nicht du, die Wahrheit kenne?

Einst waren Femke und Anouk beste Freundinnen, bis ein Verrat die beiden entzweite. Was blieb, war die Hassliebe zweier Mädchen, die sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt hatten. Doch als Femke eines Tages Anouk um Hilfe bittet, kommt es zu einem schrecklichen Unfall, der Anouks Leben für immer verändert.
Von hässlichen Erinnerungsfetzen geplagt, versucht Anouk herauszufinden, was Femke widerfahren ist, und stößt dabei auf eine Mauer des Schweigens. Und auch die Zeit arbeitet gegen sie, als Anouk die Hauptverdächtige eines Verbrechens wird, das sie nicht begangen hat … 


*** Triggerwarnung: Dieses Buch enthält mögliche Auslösereize, die bei Personen mit posttraumatischer Belastungsstörung zu einer Verschlechterung ihrer Symptome führen können.



Es war mir ein so dringendes Bedürfnis dieses Buch zu lesen, dass ich es auch nicht liegen lassen konnte, als ich es endlich hatte. Das war definitiv die richtige Entscheidung, ich habe es in wenigen Stunden verschlungen und das obwohl es ziemlich dick ist. Das es letztlich aber mit dem lesen so schnell ging lag nicht an meinem Bedürfnis sondern an der Geschichte.

Dieses Buch ist ein Spiel mit den Gedanken des Lesers, denn man weiß selbst nichts. Rein gar nichts. Alles erfährt man erst nach und nach mit der Protagonistin. Man muss sie begleiten und alles hautnah miterleben. Aber hautnah ist in meinem Fall zu wenig, zu milde. Beim lesen tat mir alles weh, es war als würde mir diese Geschichte die Haut aufschneiden um sich darunter festzusetzen. Ich konnte kaum an etwas anderes als die nächste Seite, das nächste Puzzleteil denken. Und ihr ahnt nicht, wie nah ich dem Abgrund immer und immer wieder kam, denn es ist kein Buch, bei dem man gedanklich auch nur so weit geht wie die Story. Viel mehr ist es als würde es einen Schalter umlegen, der das Denken immer weiter voran treibt. Man schweift ab und ich bin zwischen grässlichen Gedanken und schrecklichen Wahrheiten gelandet, vor denen ich weder die Augen noch mein Herz verschließen kann. Was es umso schlimmer macht, weil diese Geschichte richtig furchtbar weh tut.

Kerstin Ruekieck ist ein absolut krasses Talent, sie kann Dinge mit meinem Verstand anstellen, die ich so noch nie erlebt habe. Dinge, die ich bewundere und hasse, Dinge, die mich zum nachdenken und sehen bringen, mir wiederum andere Dinge klar vor Augen rufen und Dinge, die ich nicht verstehe, die mich schockieren und weh tun. 

Diese Geschichte ist der Wahnsinn. Auf jede erdenkliche Weise. Und trotzdem so gut aus tausenden von Gründen. Da wäre die ständige Frage, was denn nun passiert ist. Die Frage nach dem: ''Warum?'' und so viele Fragen, die ich nicht stellen kann ohne zu viel vorweg zu nehmen. Was ihr aber wissen müsst, ist, dass mich ''Was geschah mit Femke Star'' nicht nur an meine Grenzen geführt hat sondern weit darüber hinaus, mit jeder Seite mehr. Emotional wurde ich völlig erschlagen von dieser Wortgewalt und dieser eindringlichen, wichtigen Geschichte. Denn zwischen all dem Wahnsinn, den ich fühlte gab es unendlich viel wahres (LEST NACH DEM BUCH UNBEDINGT AUCH DAS NACHWORT!). Es sagt unfassbar viel aus, wichtiges, wahres und unbequemes. Es wird nichts beschönigt, nichts in glänzender Folie und hübschen Wörtern verpackt. Was ihr bekommt ist das Nackte, das Rohe und das völlig unverfälschte Gefühl. Und das schockiert und berührt mich zutiefst. Der Nachhall tut weh, aber er macht so wach, so, so wach.

Ab jetzt folgen Spoiler, wenn ihr das Buch noch lesen möchtet dann lest nicht weiter. Lest bitte auch nicht weiter, wenn euch Thematiken abseits der Komfortzone triggern könnten oder ihr solche Themen lieber meiden möchtet.

!!

SPOILERANFANG !




Ich habe schon einige Bücher gelesen, Bücher in denen Mädchen vergewaltigt wurden, in denen ihnen sexuelle Belästigung in sämtlichen Formen begegnete, sie als ''Schlampen, Huren, Nutten'' beschimpft wurden, sie angefasst wurden ohne es zu wollen etc. und wisst ihr was es ist, das mich jedes Mal wieder trifft, tief trifft? Es ist der Punkt, dass einfach weg gesehen wird. Nicht nur in Büchern, auch im normalen Leben. Es gibt nämlich so viele Mädchen, die nicht schweigen, die den Schritt wagen sich jemandem anzuvertrauen. Sei es mit der offenen Aussage ''Ich wurde vergewaltigt'' oder anderen nicht ganz so direkten Aussagen (nein, ich bin niemand, der weiß, wie sowas abläuft, auch niemand der den Mut kennt den man sicher aufbringen muss um es jemandem zu sagen, ich mutmaße hier zum Teil oder beziehe mich auf Bücher, Dokus oder die wirklich klugen Nachworte einiger Autoren). Das diese Mädchen weg geschickt werden ist schon furchtbar genug. Das es mit Sätzen wie: ''Willst du dem Jungen wirklich die Zukunft versauen, überleg dir das noch mal gut'' oder ''Bei dem kurzen Rock bist du aber mit Schuld'' oder ''Du bist doch mit ihm mitgegangen'' usw. geschieht scheint mir wie der Todesstoß. Ja was im Buch passiert ist krass, mehr als das. Es passiert so viel und man kann sich kaum vorstellen, dass es sowas geben soll aber Tatsache ist, dass diese Dinge passieren. Natürlich nicht genau das was dort steht, aber es werden Mädchen vergewaltigt, es wird ihnen sexuelle Gewalt angetan, jeden Tag auch hier. Nicht nur Mädchen. Auch Jungen. Und ich finde es großartig, dass Kerstin direkt noch mit dem ''Vergewaltigungsklischee'' aufräumt. Danke! Ich fühlte mich wie Milo, sehr. Ich wurde nie vergewaltigt oder etwas in der Art aber ich habe eine Meinung dazu, eine ganz klare, dass es Menschen gibt, die auch so denken fühlt sich gut an. Es fühlt sich an, nachdem man dieses Buch gelesen hat wie eine leise Hoffnung, ein kleines wach werden, denn es gibt andere die denken wie du, die es nicht okay finden zu schweigen, zu akzeptieren oder sich gar an solche Übergriffe zu gewöhnen. Was Femke durchmachen musste kann nicht zu einer gesunden Psyche oder gar Sexualität führen, ich wüsste nicht wie, aber das festzustellen wenn man es selbst nicht erlebt hat ist anders. Es war furchtbar für mich, trotzdem habe ich immer das Wissen gehabt, dass mir sowas nicht passiert ist, dass ich nicht mal begreifen kann wie sich eine Betroffene Person fühlen muss. Selbst wenn ich dachte, dass ich nicht mehr kann, weil es zu weh tut war mir klar, dass es nichts mit verglichen mit den Physischen und Psychischen Qualen ist, die die Betroffenen erleiden und das hat mich echt krank gemacht. Wenn es schon weh tut zu wissen, dass man nichts von dem seelischen und körperlichen Schmerz weiß oder verstehen kann fühlt es sich unglaublich machtlos an. Natürlich ist Femke ''nur'' eine Romanfigur aber sie steht stellvertretend für alle Opfer von Vergewaltigungen jeglicher Art. Und das ist hart. Es könnte jede Frau/Mädchen/Mann/Jungen betreffen und ich und so viele von uns können nichts tun, damit es ihnen besser geht. Auch wenn wir Prävention betreiben, aufklären, sensibilisieren so hat es doch schon Opfer gegeben, was ist mit ihnen? Darüber nachzudenken ohne Lösung belastet mich. Und auch wenn man all das tut, dann ist es traurig, furchtbar, zum schreien, dass es wieder passiert, dass Menschen mit sowas durchkommen, dass Betroffene Angst haben müssen die Wahrheit zu sagen. Denn die Wahrheit ''Ich wurde vergewaltigt'' ist unbequem, sicher auch für die Personen die dadurch in einen Handlungszwang geraten, weshalb man wie in unzähligen Büchern Gründe, Ausreden vorbringt, weshalb eine Anzeige nicht notwendig ist (Zukunft versauen, selber Schuld, zu aufreizendes Verhalten, zu aufreizende Kleidung etc.) und ich bekomme das kalte kotzen. Weil das nie, nie, niemals auf die leichte Schulter genommen werden darf. Und dieses Buch zeigt die möglichen Langzeitfolgen, sehr drastisch aber sehr real, sehr grauenhaft und so wahr. Ob ich nach meinem klugen Gerede nun auch eine Lösung parat habe? Nein. Aber ich habe zumindest einen Hinweis, den gebe ich bei diesem Thema ja irgendwie immer, denn ich denke, dass man offen über dieses Thema reden muss, immer und das man sich natürlich genau überlegen muss ob man nun jemanden beschuldigt, der nicht schuldig ist, das ist klar, denn das hat Folgen, furchtbare. Aber wenn man die Wahrheit sagt dann sollte JEDER das für real und wichtig nehmen. Vergewaltigungen sind real. Real und unbequem wenn man darüber spricht, aber das sollten wir. Alle. Ich habe noch so viel dazu zu sagen aber ich glaube, dass es nun reicht. Wer bis hier hin gelesen hat, danke. Das bedeutet mir viel, denn dieses Thema könnte auch mich betreffen und ich würde mir dann wünschen Gehör zu finden.

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